

EINBLICKE | AUSBLICKE | offene und bereits abgeschlossene, unveröffentlichte Arbeiten, Konzepte

ATELIER & IDEENFABRIK
KUNST IST NIE FERTIG, NUR VERLASSEN
Leonardo Da Vinci
Das Atelier von Alexander Kästel ist mehr als ein bloßer Arbeitsplatz – es ist ein Ort des Denkens, der Konzeption und der visuellen Reflexion. Hier entstehen Fragmente, konzeptuelle Skizzen und vollendete fotografische Arbeiten.
Viele dieser Ideen entwickeln sich weiter und finden ihren Ausdruck in aktuellen Werkserien oder zukünftigen Ausstellungen. Manches jedoch genügt sich selbst im reinen Gedanken – als stille Geste der Erkenntnis.
KONZEPTARBEIT
WASTE WE LEAVE BEHIND
Eine fotografische Serie über das Vermächtnis unserer Zeit
„WASTE“ – so der Titel einer neunteiligen Werkserie – thematisiert die Spuren, die der Mensch im Anthropozän hinterlässt. Kästel zeigt Schwarzweißabzüge im Großformat (120 × 90 cm), belichtet auf Fotopapier, kaschiert hinter mattem Acrylglas, aufgezogen auf AluDibond. Die Präsentation – schwarz gerahmt, mit Schattenfuge, schwebend installiert – unterstreicht die visuelle Strenge und inhaltliche Dringlichkeit der Serie.
MÜLL DEN WIR HINTERLASSEN
Der Titel WASTE WE LEAVE BEHIND verweist auf die systemische Gewalt gegen die planetare Integrität. Das Motiv, welches hier als weißes Objekt auf schwarzem Grund erscheint, ist mehr als ein Symbol – er ist ein Störsignal.
Die schwebende Plastiktüte evoziert Assoziationen zum ikonischen Bild „Earthrise“ von William Anders: die Erde, aufgehend über der Schwärze des Alls. Doch wo Anders Hoffnung sichtbar machte, konfrontiert Kästel mit der ästhetischen Brisanz einer Zerstörung, die makellos inszeniert erscheint.




MAI 2024
WASTERISE IX
WASTE ist als fotografischer Bestandteil für eine Raumübergreifende Installation konzipiert.
AUFLAGE: Unikat
SERIE: 9, Signiert, Echtheitszertifikat
PREIS: Auf Anfrage



DEKONSTRUKTION
MUTTERLAND
Dresden
"Inmitten"
2023
MUTTERLAND


Nach Abschluss seines ersten Aufenthalts in Dresden konstatiert Kästel mit Zufriedenheit den erfolgreichen Start der Serie Mutterland. Die digitalen Datenmengen – etwa 500 MegaPixel pro Aufnahme – stellen eine logistische wie gestalterische Herausforderung dar, insbesondere im Hinblick auf die finale Auflösung und die Wahl des Materials.
Trotz dieser technischen Herausforderungen zeigt sich der Künstler zuversichtlich, bis 2026 eine vollständige Arbeit präsentieren zu können.




MUTTERLAND – Dekonstruktion einer Maske
In MUTTERLAND (2023/2024/2025) zeigt Kästel großformatige, nahezu unbearbeitete Aufnahmen, die auf nüchterne, fast technische Weise Dresdens Mantelreste entblößen. Es sind Bilder der Zerrissenheit.
Die verlorene Identität die wieder die Gegenwart prägt, wird verschoben, in Teilen geleugnet oder bewusst ignoriert. Ambivalenz – das Zerklüftete zwischen Erbe und Umgang damit – wird in jeder Aufnahme spürbar und konfrontativ ins Bild gesetzt.
Kästel versteht MUTTERLAND nicht als Klage, sondern als Mahnung – künstlerisch stark, technisch durchkomponiert, gleichzeitig verirrt in Struktur. Die Arbeit löst Betroffenheit aus, überfordert, aber fordert auch Dialog und Nachdenken.
Dresden, Ort familiärer Wurzeln – Ort traumatischer Erfahrungen – wird hier zur Projektionsfläche: MUTTERLAND dekonstruiert das vermeintliche Narrativ einer Stadt und fordert dazu heraus, diesen neutralisierten Umgang mit Geschichte kritisch zu hinterfragen. Eine Ausstellung in Dresden würde einen Raum schaffen, in dem diese Ambivalenz sichtbar wird – und in dem heutiger Geschichtsrevisionismus auf offene Pluralität, Erinnerungsfähigkeit und Aufarbeitung treffen.
Alexander Kästel bringt mit MUTTERLAND ein Werk mit, das aus persönlicher Betroffenheit heraus entsteht, aber universelle Fragestellungen anspricht: Erinnerung – Verdrängung – Identität – Dekonstruktion. Für Dresden bietet es die Chance, eine zeitgemäße, emotionale und historisch relevante Position zu zeigen – aus der Innenperspektive, mit kritischem Blick.


EINE STUDIE 2024
MUTTERLAND
Im Sommer 2024 arbeitete Alexander Kästel vier weitere Wochen vor Ort an der Weiterentwicklung von Mutterland.
Die Arbeit ist in ihrer technischen Strenge ebenso kühl wie verspielt. Sie wirkt nicht klagend, sondern mahnend. Die Konzeption nähert sich nun ihrem Abschluss – ein fertiges Werk wird für Ende 2025 erwartet.
2025
MUTTERLAND / REBIRTH

Das Gesicht einer Frau – aufgelöst, fast geisterhaft. Eine Erinnerung? Eine kollektive Figur? Die Linien des Alters verschwimmen, als würde die Zeit selbst durch das Bild atmen. Kästel scheint hier eine Art Archetyp zu entwerfen – nicht Porträt, sondern ein Echo von Herkunft und Vergänglichkeit. Es ist, als würde sich Geschichte im Antlitz einer Person materialisieren, nur um gleich darauf wieder zu entgleiten.



In seiner 3-jährigen Werkserie MUTTERLAND verfolgt Alexander Kästel einen radikal fotografischen Zugang, der urbane und soziale Realität nicht abbildet, sondern seziert. Die Stadt Dresden wird zum Projektionsraum für eine vielschichtige, visuell aufgeladene Auseinandersetzung mit Erinnerung, Identität und Schuld. Kästel entwirft keine linearen Erzählungen, sondern tastet sich durch fragile Ebenen des Sichtbaren – bis an die Grenze der Auflösung.
Die Stadt erscheint nicht als stolzes Ensemble, sondern als widersprüchlicher Körper, der unter seiner eigenen Geschichte ächzt. Hinter der Fassade aus Schönheit und Monumentalität offenbart sich ein Ort, der seine Brüche und Verdrängungen tief eingeschrieben trägt – architektonisch, gesellschaftlich, emotional. In den Fotografien wird Dresden nicht festgehalten, sondern dekonstruiert: als ein Gefüge, das sich selbst zerlegt, dessen Zerrissenheit in Kästels Arbeit offenbart wird.
Ein einzelner, schmaler Baum auf weiter Fläche – fast tanzend, fast fliehend. Dieses Bild wirkt wie ein Seelenzustand, wie ein früheres Ich. Der Baum steht aufrecht, nicht stabil. Er weht. Er verflüchtigt sich. In einem nicht ablassenden stemmen gegen den Wind gefangen. Inmitten der offenen Landschaft scheint er das fragile Verhältnis von Dasein, Individualität und Zugehörigkeit zu reflektieren – als träfe das Persönliche auf das Politische.
Auffällig ist, dass in Mutterland auch naturhafte Elemente sichtbar werden, die das Nicht-Menschgemachte nicht negieren, sondern subtil akzentuieren.
Die Silhouetten einer Kathedrale – monumental, doch wie im Kaleidoskop gebrochen. Die sakrale Architektur wird nicht bewundert, sondern zerlegt. Dunkle Erinnerungen platzen wie eine Wunde der Stadt neu auf. Der Künstler lässt sie flimmern, als sei sie eine Projektion, ein Denkmal, ein Mahnmal auf wackligem Grund. Hier wird das „Erhabene“ der Stadt nicht gefeiert, sondern hinterfragt – mit feiner fotografischer Gewalt.
Ein weiterer sakraler Bau, davor schemenhafte Figuren – Kinder, Erwachsene, ganze Generationen? Der Boden wirkt gewebt, wie ein Teppich aus Erinnerung. Die Szene ist doppelt entrückt: durch Zeit und Technik. Und doch liegt darin etwas zutiefst Gegenwärtiges – eine Ahnung davon, wie tief Prägung, Geschichte und Ort miteinander verflochten sind.
Die Bilder sind keine klassische Abbildung, keine lineare Erzählung. Sie sind Fragment, Störung, Erinnerungssplitter, ein Stachel im Leib. Formal beruhen sie auf einem technischen Fehler – einem „Fehlverhalten“, das Kästel bewusst in seine Arbeitsweise integriert. Dieses Aufnahmeverfahren wird zum künstlerischen Instrument: Ein Sehvorgang, der sich weigert, vorgezeichnete Realität festzuschreiben, und stattdessen einen Raum zwischen Sichtbarkeit und Verschwinden schafft.
Alexander Kästels Serie MUTTERLAND ist keine sentimentale Rückkehr nach über 25 Jahren, sondern eine tastende Befragung. Die Stadt Dresden dient ihm als Spiegel für Themen wie Herkunft, Identität und Geschichte – nicht eindeutig, sondern ambivalent. Die Fehler, die seine Kamera produziert, sind keine Makel. Sie sind ein bewusst gesetztes Vokabular für das Vielschichtige, das Unaussprechliche – für die Erinnerung und Benennung als Un-Ort einer gestohlenen Zeit.


DEKONSTRUKTION
MUTTERLAND
Dresden
"Die Wandernde"
ALEXANDER KÄSTEL IM DIALOG ZU MUTTERLAND
DIE FOTOGRAFIE ALS LYRISCHES DENKEN
DAS POLITISCHE IM PERSÖNLICHEN - UND UMGEKEHRT
Alexander Kästel ist ein Künstler, der mit der Kamera nicht abbildet, sondern befragt. Seine Arbeiten entstehen im Spannungsfeld zwischen visueller Poesie und gesellschaftlicher Analyse. Er nutzt die Fotografie nicht als bloßes Mittel der Repräsentation, sondern als Sprache, als Denkraum – als Möglichkeit, die Welt in all ihrer Widersprüchlichkeit zu verhandeln.
In Kästels Werk ist der Blick nie neutral. Er ist immer berührt, oft zart, manchmal zornig, aber stets durchdrungen von einem tiefen ethischen Bewusstsein. Seine Fotografien gleichen lyrischen Essays: Sie verweigern sich der Eindeutigkeit, sie schwingen nach, sie lassen Raum – für Erinnerung, Verantwortung, Verlust und Hoffnung. Man sieht in seinen Bildern nicht nur, was ist. Man spürt, was fehlt.
In der Serie „Mutterland“ befragt Kästel das Konzept von Heimat und Nation – nicht pathetisch, sondern präzise, fast chirurgisch. Hier wird der Begriff des Mutterlandes nicht affirmiert, sondern seziert. Heimat wird zur Metapher für Zuschreibungen, Grenzen, Erbschaften. Es geht um Territorien – reale wie innere. Kästel begegnet dem Begriff mit einer Haltung, die weder rein ablehnend noch nostalgisch ist. Vielmehr zeigt er, dass Heimat immer auch eine Konstruktion im Konflikt ist: zwischen Erinnerung und Realität, zwischen Zugehörigkeit und Ausschluss.
„Deamokratia“, eine Wortschöpfung, die wie ein Versprecher der Utopie klingt, ist dagegen eine visuelle Reflexion über den Zustand der Demokratie. In dieser Serie verdichtet sich Kästels Werk zu einem politischen Vexierspiel – zwischen Ruine und Hoffnung, zwischen dokumentarischer Klarheit und metaphysischem Zweifel. Er stellt nicht zur Schau, er hinterfragt das Fundament: Wer darf sprechen? Wer wird gesehen? Was bleibt, wenn die Form zerbricht? Kästel gelingt es, das Politische nicht plakativ, sondern poetisch zu verhandeln – wie durch den Schleier eines Traums, der zugleich realer ist als jede Tagespolitik.


DEKONSTRUKTION
MUTTERLAND
Dresden
"Blaues Wunder"
LYRIK ALS HALTUNG
EIN BLICK, DER SICH NICHT ABWENDET
Was Kästels Arbeiten eint, ist ihre sprachliche Qualität – auch jenseits des Visuellen. Die Texte zu seinen Werken sind keine Erklärungen, sondern Erweiterungen. Sie sind poetisch, tastend, offen – wie kleine Gedichte, die die Bilder begleiten, aber nie vereinnahmen. Seine Sprache ist dabei niemals ornamental, sondern präzise und rhythmisch. Sie folgt dem Bedürfnis, der Welt mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu begegnen – auch dort, wo sie brüchig ist.
Sein Atelier versteht er nicht als Studio im klassischen Sinn, sondern als Denkraum, Labor und Zufluchtsort. Hier entstehen keine Produkte, sondern Prozesse. Hier wird nicht produziert, sondern geforscht. Dieser Ansatz – anti-marktorientiert, aber nicht elitär – macht seine künstlerische Praxis besonders. Sie ist zutiefst gegenwärtig, weil sie nicht den schnellen Effekt sucht, sondern langsame Wahrnehmung kultiviert.
Alexander Kästel gehört zu einer Generation von Künstler*innen, die nicht nur ästhetisch, sondern ethisch positioniert sind. Seine Arbeiten fragen nicht: „Wie sieht etwas aus?“ – sondern: „Was bedeutet es, dass es so ist?“ Er schaut dorthin, wo andere wegsehen: auf das Übersehene, das Vergessene, das Verdrängte.
Dabei bleibt seine Haltung stets menschlich. Nie belehrend. Nie laut. Aber klar. Und wenn man seine Fotografien betrachtet, spürt man: Hier ist jemand, der nicht nur sehen will, sondern verstehen. Jemand, der mit jedem Bild eine Entscheidung trifft – für die Komplexität, gegen die Vereinfachung. Für die Kunst, gegen die Pose. Für das offene Gespräch, gegen das geschlossene System.

DEKONSTRUKTION
MUTTERLAND
Dresden
"1000 berstende Sonnen"
ALEXANDER KÄSTELS MUTTERLAND
DIE FOTOGRAFIE, ALS DENKRAUM ZWISCHEN POESIE UND POLITIK
Die fotografischen Arbeiten von Alexander Kästel zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Verbindung von visueller Poesie und politischer Schärfe aus. In seinen Werkserien „Mutterland“ und „Deamokratia“ widmet sich der Künstler den großen Fragen unserer Zeit: Identität, Demokratie, Zugehörigkeit, Ausgrenzung.
Dabei interessiert Kästel nicht das Offensichtliche, sondern das Verdrängte, Übersehene, Fragile. Seine Bilder wirken wie visuelle Gedichte – verdichtet, tastend, offen für Interpretation. Er arbeitet nicht dokumentarisch im klassischen Sinn, sondern setzt auf eine Bildsprache, die sich der Eindeutigkeit verweigert und die Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Realitäten zulässt.
„Mutterland“ spürt den Mythen von Herkunft und Nation nach – ohne Pathos, aber mit präziser Fragestellung. „Deamokratia“, ein bewusst verrutschter Begriff, fragt nach dem Zustand demokratischer Strukturen und öffnet einen Raum für Zweifel, Bruchstellen und Neuanfänge. Kästels fotografischer Zugang ist konzeptuell fundiert, ästhetisch feinfühlig und lyrisch durchdrungen.
Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die zwischen Bild und Struktur, politischem Impuls und emotionaler Resonanz vermitteln. Sie ist eine Einladung zur langsamen Betrachtung – und zum Nachdenken über das, was uns verbindet.

DEKONSTRUKTION
MUTTERLAND
Dresden
"als würde die Zeit selbst durch das Bild atmen"


2025
PANTA RHEI XV
PANTA RHEI
Auf Ilford S/W-Papier entwickelt, auf 3 mm AluDibond gezogen und unter 2 mm AcrylGlas, matt. Schattenfugenrahmen aus Aluminium, schwarz.
Motivmaße: 80 cm x 60 cm
Außenmaße: 87,4 cm x 67,4 cm
AUFLAGE: Unikat
SERIE: 15, Signiert, Echtheitszertifikat
PREIS: Auf Anfrage



VERNISSAGE XYLON MUSEUM
SA 28. Juni 2025
Alexander Kästels Beitrag zur Großen Werkschau „Natur unter Druck“ im XYLON Museum Schwetzingen
Unter dem Titel PANTA RHEI präsentiert der Fotograf und Künstler Alexander Kästel zwei Schwarz-Weiß-Fotografien als Unikate sowie eine skulpturale Wandinstallation, die in ihrer Kombination eine dichte, visuell wie materiell aufgeladene Intervention innerhalb der Ausstellung „Natur unter Druck“ des Künstlerbundes Rhein-Neckar e.V. darstellt.
Die fotografischen Arbeiten bewegen sich an der Schwelle zwischen Sichtbarkeit und Abstraktion. In PANTA RHEI wird das Medium der Fotografie radikal auf seine Textur und Materialität zurückgeworfen: Es erscheinen keine lesbaren Landschaften, keine narrative Struktur – stattdessen Strömungsfelder, energetische Muster, Topografien, die sich der eindeutigen Interpretation entziehen. Bewegung ist spürbar, aber nicht lokalisiert. Das Fließende wird nicht als Metapher, sondern als Zustand erfahrbar.
PANTA RHEI I & II, aus einer Serie von 15 individuellen Aufnahmen, evoziert Prozesse aus der Natur – Wasser, Gestein, organische Verwerfungen – und bleibt dabei formal autonom. Diese Unbestimmtheit verweist auf das zentrale Thema der Ausstellung: die Fragilität und Überformung von Natur unter dem Druck struktureller, gesellschaftlicher und medialer Einflüsse im Anthropozän.
Den fotografischen Arbeiten ist eine skulpturale Erweiterung zur Seite gestellt: eine vertikal ausgerichtete Holzinstallation. Die Skulptur aus zwei Teilen ist 1,80 m hoch, 75 mm Kantenlänge, ist aus massivem Holz gefertigt, gebrannt und trägt in Höhe von PANTA RHEI II ein präzises herausgearbeitetes Fragment. Die "Bruchstellen" sind mit 24 Karat Blattgold ausgekleidet.
Diese Intervention wird zum interpretativen Gegengewicht zur Fotografie: Das Gold steht für den Raubbau an der Natur, für Extraktion, Ausbeutung, für das Streben nach Kontrolle und Wertschöpfung. Die streng geometrische, gebrannte Form wirkt wie ein Bollwerk – statisch, wehrhaft, zugleich von einer klaffenden Wunde gezeichnet, strukturell verwundet und von nur wenigen Millimetern Stahl getragen. Das Gold glänzt in dieser Öffnung nicht als Zierde, sondern als Chiffre für Dekadenz und Hybris: der Versuch, sich die Welt anzueignen – durch Geld, durch Macht, durch Formgebung.
Zwischen der fotografischen Oberfläche und der materiellen Skulptur entsteht ein kraftvolles Spannungsverhältnis: Bewegung trifft auf Gewicht, das Unfassbare auf das Konstruierte. Die visuelle Korrespondenz zwischen dem Schwarz der Fotografie und dem Schwarz des Holzes vertieft diese Verbindung – optisch wie inhaltlich. Kästel verhandelt mit PANTA RHEI nicht nur Natur, sondern auch deren Wahrnehmung und Aneignung unter Druck – ein Werk über das Unsichtbare, das Verlorene, eine Katastrophe im Stillstand und über das, was bleibt.



SECHS CUTS
DÆ/MOKRATIA
Aus der Arbeit Mutterland. Nicht mehr erhältlich. Eine der 6 Arbeiten ist als Leihgabe bei dem Künstler Fritz Stier.
2025
DÆ/MOKRATIA

In der Arbeit DÆ/MOKRATIA zeigt Alexander Kästel erneut seine konsequente Auseinandersetzung mit fotografischer Wahrnehmung, Verdichtung und Wirklichkeit. Die Aufnahme wirkt auf den ersten Blick wie ein abstrahiertes Farbfeld, ein vibrierendes Gewebe aus Rosé, Blau und Violett – doch beim genaueren Hinsehen offenbart sich eine dichte, überlagerte Struktur aus Formen, Bewegungen, etwas Körperliches.
Was hier wie ein digital generiertes Muster erscheint, ist in Wahrheit eine rein entwickelte und nahezu unbearbeitete Fotografie. Kästel nutzt eine kamerainterne Funktion, die er instinktiv fehlerhaft einsetzt – ein „technischer Irrtum“, der zur gestalterischen Methode wird. In diesem Bild trifft also nicht Bildbearbeitung auf Rohdaten, sondern Intuition auf apparative Imperfektion.

Eines von sechs unikaten Ausschnitten aus der Gesamtarbeit DÆ/MOKRATIA. Für die Teilnehmenden am Podium der performativen und partizipativen fotodokumentarischen Ausstellung vom 26. November 2024 in der Alten Feuerwache Mannheim.
Gerade durch diese Art des Sehens – oder besser: dieses „Zuviel an Sehen“ – verschiebt sich der Blick auf das Dargestellte. Die Motivik wird entgrenzt. Aus Einzelnen wird eine Masse, aus Bewegung ein Flickern, aus Präsenz ein fast malerischer Zustand. Es geht nicht mehr darum, was zu sehen ist, sondern wie es gesehen wird. Kästels Fotografie verwandelt sich in einen Resonanzraum – zwischen Gegenständlichkeit und Auflösung, zwischen Detail und Überforderung.
Was bleibt, ist eine Ästhetik der Verdichtung. Eine visuelle Metapher für Gleichzeitigkeit und für Überlagerung. Man ahnt die Herkunft des Motivs – aber Kästel verweigert jede Eindeutigkeit. Er interessiert sich in dieser Arbeit nicht für das Dokumentarische, sondern für das, was hinter der Oberfläche geschieht: für das visuelle Rauschen, das entsteht, wenn zu viele Augenblicke gleichzeitig sichtbar werden.
In einer Zeit, in der Bilder oft nach Klarheit und Aussage streben, kehrt Kästel das Prinzip um: Er produziert undefiniertheit nicht als Mangel, sondern als Aussage. Sein „Fehler“ ist ein Statement. Eine subtile Infragestellung dessen, was fotografische Wahrheit eigentlich meint.
So steht dieses Werk exemplarisch für Kästels künstlerische Haltung in dem Gesamtwerk MUTTERLAND: ein Sehen gegen das Offensichtliche, ein Vertrauen in das Ungeplante, ein Suchen im vermeintlichen Fehler – mit dem Blick eines Fotografen, der nicht abbildet, sondern übersetzt.



VORSCHAU
DIE ZWEI MÄCHTIGSTEN KRIEGER SIND GEDULD UND ZEIT
Leo Tolstoi
Eine begleitende Videoarbeit ist in Planung. Erste choreografische Umsetzungen wurden uraufgeführt. Für das Jahr 2025 sind weitere Infrarotaufnahmen sowie neue Serien im Mittelformat vorgesehen. Kästels fotografische Praxis bleibt in Bewegung – forschend, tastend, konfrontierend. Seine Arbeiten sind Einladungen zum genauen Hinsehen – auf das Sichtbare wie das Verborgene.




