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Judith Urmes
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DAS GEFÜHL IM BILD - UBI BENE 2023
Projektart
Reisebericht & Veröffentlichung
Datum
2023
Ort
Marseille, Frankreich
Art
Infrarotfotografie
Fotos
Alexander Kästel
Im Herbst 2022 begab sich Alexander Kästel, Künstler und Fotograf aus Mannheim, auf eine verdichtete, beinahe kontemplative Reise in die südfranzösische Hafenstadt Marseille – im Gepäck: ausschließlich seine Infrarotkamera. Die dabei entstandenen Aufnahmen erschienen 2023 im Magazin UBI BENE und erweitern Kästels Werk um eine ebenso dokumentarische wie poetisch durchdrungene Stadterzählung.
Künstlerisches Verfahren – Infrarot als Sehform des Unsichtbaren
Mit der Wahl der Infrarottechnik verlässt Kästel bewusst den konventionellen Farbraum der Stadtfotografie. Die entstehenden Bilder durchdringen die Oberfläche, visualisieren Hitze, Energie, Schatten – und eröffnen so metaphorisch wie visuell neue Bedeutungsräume. Marseille, in dieser Bearbeitung, wird zur Kulisse einer infraroten Erinnerung: surreal, entrückt und dennoch tief verbunden mit dem sozialen Körper der Stadt.
Die Reise selbst – ein bewusster Gegenentwurf zur „Jagd nach dem perfekten Hotspot“ – versteht sich als entschleunigte Kartierung eines urbanen Gefüges. Kästel nähert sich der Stadt nicht als Tourist, sondern als Beobachter. Begleitet von einer Freundin, entsteht aus jedem der täglichen 25.000 Schritte ein aufmerksames Lesen der Stadt. Die Erzählung von der Begegnung mit einem Vater und seinem Sohn, die den Weg weisen, ist Sinnbild dieses Projekts: Es sind die beiläufigen Akte der Fürsorge, die dem Werk seine gesellschaftspolitische Tiefe verleihen.
Kästels Fotografie ist immer auch eine Arbeit an der Sichtbarkeit: von Strukturen, von Menschen, von Fürsorge im Alltag. Die fotografischen Arbeiten aus Marseille sind keine touristischen Postkarten. Sie zeigen den Stadtkörper in seiner porösen, pulsierenden Realität – mit dem Blick für das, was sich sonst dem Blick entzieht: Wäsche an Fenstern wie Stillleben, Schattenwürfe auf Asphalt, Fassaden als fragmentierte Zeitzeugen. Die Infrarottechnik verstärkt das Unsichtbare und entlarvt zugleich die spektakuläre Oberflächlichkeit des „Selfie-Wahns“.
Alexander Kästel stellt mit diesem Projekt Fragen nach Wahrnehmung, Würde und sozialem Miteinander im urbanen Raum. Marseille wird nicht verklärt, sondern entmythologisiert – und dabei umso wertvoller: als Spiegel einer Welt, die Schönheit und Ungleichheit, Nähe und Entfremdung in sich trägt. In der Kombination aus Technik, Empathie und Reflexion schreibt sich Kästels Arbeit ein in eine fotografische Ethik, die dem Menschen verpflichtet ist.
Mit Marseille erweitert Alexander Kästel seinen fotografischen Kosmos um eine fragile, tief menschliche Topografie. Die Reise ist nicht Flucht, sondern Hinwendung – zum Anderen, zum Unscheinbaren, zum sozialen Detail. Es ist ein künstlerischer Appell, Städte neu zu sehen: nicht als Kulissen, sondern als Körper aus Erfahrung, Widerstand, Wärme – und Licht, das nur im Infraroten sichtbar wird.
