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PROJEKTE
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Judith Urmes
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SCHNITT-Stelle 2024
Projektart:
Fotografie
Datum
2024
Standort
Mannheim
Mitgliederausstellung des Künstlerbundes Rhein-Neckar e.V. im Rosengarten Mannheim 2024
LADY IN FRITZ & DOWN & UP
(Leihgaben von Bürgermeister Thorsten Riehle, Mannheim)
In der Ausstellung SCHNITT-Stelle des Künstlerbundes Rhein-Neckar zeigt Alexander Kästel zwei fotografische Arbeiten, die sich – mit feinem Gespür für Zeitgeist und gesellschaftliche Schichtung – mit Übergängen, Rollenerwartungen und dem Verhältnis von Identität und Raum auseinandersetzen. Beide Werke nehmen die Bildsprache der alltäglichen Beobachtung auf und transformieren sie in stille, visuelle Kommentare zu unserer Gegenwart.
LADY IN FRITZ
Im linken Bild sieht man eine elegant gekleidete Frau, den Körper zum Teil angeschnitten, das Gesicht bleibt anonym. Ihr Gang, energisch und kontrolliert. In der Hand trägt sie eine Publikation mit dem Namen FRITZ STIER – zugleich ein Verweis auf den Künstlerkollegen und ein ironisches Spiel mit Repräsentation und Aneignung. Die Tasche mit Hahnentritt-Muster evoziert Bourgeoisie und Corporate Culture zugleich, während der rot-orange Schal als Farbakzent wie eine subversive Geste aus der Bewegung herausragt.
Kästel beobachtet hier nicht nur – er kommentiert. Die Komposition zitiert die Ikonografie der Mode- und Werbefotografie, dekonstruiert sie jedoch im Kontext der künstlerischen Hängung. Die Frau wird nicht zur Projektionsfläche, sondern zur eigenständigen Figur – in der Schnittstelle zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen Ästhetik und Haltung. Die Arbeit wird zum Reflexionsort über Sichtbarkeit, weibliche Präsenz im Stadtraum, Aneignung von kulturellem Kapital.
DOWN & UP
Das zweite Werk zeigt eine fast traumwandlerische Szene: Zwei Personen kreuzen sich auf einer Treppe. Die Kamera nimmt die Perspektive von hinten ein. Der Fokus liegt nicht auf dem Individuum, sondern auf dem Moment der Bewegung – des Aufeinandertreffens, des Sich-Entfernens, der Ambiguität zwischen oben und unten. Wer steigt? Wer fällt? Die Unschärfe der Bildränder verweist auf Ungewissheit, auf Nicht-Zuordenbarkeit.
Gesellschaftlich betrachtet, steht DOWN & UP exemplarisch für Kästels zentrales Interesse: die stillen Bewegungen im urbanen Raum. Es geht nicht um das Spektakuläre, sondern um das Dazwischen. Zwischen Rollen, Schichten, Sichtbarkeit. Die Arbeit könnte auch als Metapher für sozialen Aufstieg und Ausschluss gelesen werden – ein Spiel mit der Architektur als Machtstruktur und Choreografie des Alltags.
Kästel geht es nicht um bloße Ästhetik. Seine Arbeiten sind visuelle Essays über gesellschaftliche Reibungsflächen. Er beobachtet nicht nur, er verortet. Die Ausstellung im Rosengarten Mannheim wird zur Bühne eines leisen Protests: gegen das Verschwinden des Individuellen in der Masse, gegen stereotype Zuschreibungen, gegen die visuelle Vereinheitlichung unserer Wahrnehmung. Kästel lenkt den Blick auf das Übersehene – und gibt dem vermeintlich Unsichtbaren eine visuelle Stimme.
Sein Werk ist damit nicht nur Teil der künstlerischen Dokumentation urbaner Gegenwart, sondern auch ein Beitrag zur Debatte um Sichtbarkeit, Repräsentation und soziale Wahrnehmung.
